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Das erstaunliche Comeback des Schweizer Sängers Roli Frei

In den siebziger Jahren hat er in der Basler Rockband Circus gesungen. Später profilierte er sich in kleineren Formationen. Mit dem Album «Strong» gelingt Roli Frei nun ein eindrückliches Comeback.

Zuerst eine Stimme, wie man sie hierzulande selten hört – wendig, geschmeidig schwingt sie sich ins Falsett, bleibt dabei tragend, klingt in der zweiten Strophe eindringlich kräftig wie ein Van Morrison. Inmitten dieses mühelosen Singens wirkt der Refrain beinahe beiläufig dahingeworfen: «La vita è bella.» Die Stimme gehört dem 57-jährigen Basler Sänger Roli Frei, «La vita è bella» ist das erste Stück seiner neuen CD «Strong». Das Leben ist schön – das war es für Roli Frei nicht immer. Frei spielt in diesem Lied auch auf die Befreiung an, jahrelang hat er an Depressionen gelitten.

Nahe dran

In der Schweiz hatte man von ihm erstmals Mitte der siebziger Jahre gehört, bei der Basler Art-Rock-Formation Circus, der auch der Schlagzeug-Künstler Fritz Hauser angehörte. Dann kamen fünf Jahre bei der Blues-Combo Lazy Poker Blues Band mit ausgedehnten Tourneen in Deutschland. Roli Frei war sehr nah dran, berühmt zu werden, doch er wollte damals nicht mehr in grosser Formation musizieren. Also gründete er, der auch ein guter Gitarrist ist, seine kleinste Combo, das Duo Soulful Desert mit dem Bassisten Robert Schweizer. Es folgten überdies diverse Seitenprojekte. Überall stand Freis aufsehenerregende Stimme im Zentrum.

Und nun also ein unerwartetes Comeback, der dritte Teil eines als Trilogie angelegten Werks von Soulful Desert. Für dieses Werk hat er eine kongeniale Begleitmusik gefunden, die Roots Rocker der Moondog Show, die ihm einen Weg zeigten, wie er seine Songs umsetzen könnte. Der Lead-Gitarrist Pascal Biedermann lieferte als Produzent die passenden Sound-Landschaften zu Freis Gesang. Zart, sensibel, sparsam und doch muskulös – die schimmernden (Slide-)Gitarren von Biedermann, die perlenden Keyboards, die griffige Wurlitzer von Peter Wagner und eine einfallsreiche Rhythmusgruppe prägen diese nie aufdringliche Musik. Beim Repertoire handelt es sich mehrheitlich um Balladen. Manche davon sind bluesig gehalten wie das wunderbare «Into The Light», das Fans der Lazy Poker Blues Band gefallen wird, manche eher folkig wie «Get High II», andere wiederum klingen sehr eigen, persönlich wie etwa «Father»; das Song-Menu wird abgerundet durch Coverversionen von Bob Dylan und Nick Cave. Das alles ist weder neu noch trendy, dafür aber zeitlos. Man könnte Freis Musik als Schweizer Soul bezeichnen.

Leichtigkeit der Stimme

Die Band schafft die Basis, über der Frei seiner Stimme freien Lauf lassen kann. Sein Gesang kostet dabei Emotionen aus, wie man das nur selten zu hören bekommt. So erstaunt es wenig, dass er Aretha Franklin, Mahalia Jackson, das Golden Gate Quartet oder Wilson Pickett als seine frühesten Einflüsse angibt – schwarze Sängerinnen und Sänger also, die ihren Glauben (und dazu ein paar weltlichere Dinge) im Gesang auslebten. Roli Frei tut dies auch – auf seine spezielle, quasi weisse Art. Es ist ungewohnt, dass einer stimmlich seine Seele entblösst und nicht nur gefühlige Versatzstücke zitiert. Der Sänger singt, schwingt sich in die Höhe, röhrt. Diese Leichtigkeit der Stimme mag stellenweise akrobatisch anmuten. Und doch, das ist stets spürbar, kommt das Singen bei Roli Frei immer von Herzen. Mehr als nur ein starkes Comeback.

Eric Facon

Neue Zürcher Zeitung – 18. Juni 2010